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Sans que jamais l'on Sache pourquoi

Sans que jamais l'on sache pourquoi
[La jouense d'échecs]
1963

Forêt noire

Forêt noire
1991

Souvenir de 1947

Souvenir de 1947
1991

Her de Vries

Gedichte & Objekte




Gespräche, zufällig aufgeschnappt
in der Nacht
deren Anfang und Ende
man nicht erleben wird,
zerflattern in einer Sackgasse in Charleville
wie das Schicksal, verwandelt
vom Spiel der Erinn'rung

1970

Alles sagen

Die Ungeduld alles zu sagen
mit einem einzigen
für immer unvollkommenen Wort
lässt mich hundertmal
ohne Glauben
von vorn beginnen
doch alles ist schon gesagt

1970

Zufällige Begegnung*

Ich stell' dich mir vor im sterbenden Licht
am Anbeginn der Nacht
die ersten Triebe des Mondlaubs pflückend
die wie ein Kuß vom Himmel
ein unbekanntes Gestade liebkosen an welchem die Wogen
   verenden
ephemere Zeugen eifersüchtig auf die
Erde die atmet unter deinem leichten Schritt
unempfindlich für den letzten Hauch der Dämmerung
erwacht die Nacht, im Traum geteilt
mit dir.

Trugbilder von Parallellandschaften
verwischt in der versiegelten Zeit
weitläufige Nekropolen von Edelsteinen
von denen sich die Erde nährt, sie verwandelnd
in Humus der Sterne, am unterirdischen Himmel
fluten die Matern der Zeit zurück
nach Mitternacht kamen sie mir entgegen
jenseits des Bauches des Wassers
nichts als der wunderbare
Strom aus nächtlichem Schatten
den schon das Morgengrauen zerreißt.

1970

* Das französische Original dieses Textes ist ein Akrostichon auf die
* belgische Malerin Jaqueline Hondermarcq (Anm. d. Übers.)



Diese Liebe die mir folgen wird

Diese Unbekannte, wer ist sie bloß?
In namenloser Tiefe
entkleidet sie sich, badet in der Quelle,
läßt ein Lied ertönen
an einem Sommernachmittag
in einem entlegenen Tal,
dann im Inneren des Himalaya.
Das Vögelchen das aus der dunklen Kammer
   hervorfliegen wird
hinterläßt in ihrer Erinn'rung nur ein gesichtsloses Bild.

1996

Die schöne Zukunft

Jeden Samstag um sieben Uhr dreißig
streicht sie, um dies Verlangen zu stillen welchem sie frönt,
um eine glühende Leidenschaft
wobei sie so tut
als sammelte sie
stille, unbändige Begierden

1997


Die Gedichte wurden der Anthologie »Das surrealistische Gedicht«
[Hrsg. H. Becker/E. Jaguer, 3. Auflage, Frankfurt/Main 2001] entnommen.


 

Nocturne

Still… Ich hör‘ einen Engel kommen
es ist ein schwarzer Engel
geräuschlos ohne Spur
leichter als Luft
alle Abende meines Lebens


Um wen handelt’s sich?
Er erhebt sich ohne sein Gewicht zu verlieren
das Gewicht eines Schmetterlings


Und er spricht
mit lauter Stimme:
„Awopbopaloopbop Alopbamboom“
und ähnliche Worte
in völligem Einklang
mit eurer Wahl


Wir mögen noch so sehr schreien: „Das nie mehr!“
wenn der Schatten welchen der Tod vorauswirft
näherkommt.


Gedicht, das in der Todesanzeige enthalten war. Übersetzung: H. Becker



© Her de Vries 2002/2021



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