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Bande

für Socorro Nunes

Dein Körper und der meine fallend
auf die Welt
Nacht geplündert von einer Karawane
zuckender Blitze
Überreste der Zeit ihrer Quelle entwichen die
Abgründe aufreißt lose treibende Verluste
Das entstellte Gesicht der Schönheit verehrt
von Ruinen
Sprache irregeführt durch den Wunsch
sie selbst zu werden
Dein Körper und der meine in ihrem
geheimsten Fall
Ein Labyrinth das eine Wüste wäre und
ein Gott
wissend daß es von dort keine Rückkehr gibt
Nachtflucht      Waldbrand

FLUMÍNEOS NULIS

Die fatalen Verstellungen der Erinnerung vor
dem Unendlichen
Nicht aufzuhaltende Schatten fallend auf die Welt
Dein Körper und der meine: was vom einen im
anderen bleibt


2.
Dein Tod filtert mich in Elemente
des Schreckens
Fasern des Schmerzes vor dem Dunkel
Nachtmahl des Zerfalls im ganzen sein
Unvorhergesehener Rhythmus
des Menschen Zeuge des eigenen Falls
Dein Tod in dem Augenblick
da ich entdecke wie man durch Orte
der Zerstörung finden kann
Sonderbare Verschwörung
von Krämpfen
Gesichter verwundet durch das Spiel
der Abwesenheit
Was werde ich sein zwischen Schatten
und Zeuge des tanzenden Nichts
auf deinen Überresten
Dein Tod verwandelt mich in seine
zähe Substanz


3.
Dein Körper genommen von meinem

geheiligter Hunger

Lebenssaft der sich ausdehnt über die Zeit
hinaus
Wäre dein Körper
ein Gedicht
errichtete er in meinem seinen eigenen
Tempel
Bild des verlängerten
Falles jenseits allen Sinns
Stimmenschleier
SHAKTI
NULIS
0FNIS
alianamara
Dein Körper
Knochengespinst
in meinen Versen
Bewegung

Aus »Rasuramore« / Übers. Inés Koebel


 

Weise Hölle

[Auszüge]

7
Schlangen spinnen Sprichwortfäden. Deine
Hände streifen in der Asche der Erinnerung
Enthüllen
die Laster der Heiligen, die in der Wüste
Funken
ihres Körpers aufsteigen lassen Sandkörner
die das Sein enthüllen Samen des Wahnsinns
der Sonne ausgesetzt Das Auge Die
Blume vom Lotus-Abgrund schwarz
vor Begehren »Der Schmerz
liebt im Schweigen« War dein Körper
Spiegel
oder seine Täuschung meine Verbannung
Worte gewunden
durchdringen meine knieende Gestalt
»Darauf ich unermüdlich bleibe
damit andre das in mir erleben
was mir nicht gelang« Die Flut des Seins
dein Körper
erblühe im Abgrund Furie verschwend'rischer
Schönheit
auf dem Papiere ruh'n unsere Körper
Anblicke des Schreckens Silben befreit
in der Hölle

16
Dein Gesicht taucht auf aus dem Innern
der Flamme
aus zahllosen Wesen die dem Spiegel entspringen
deinem Wahnsinn Den Tiefen des Meeres
das Salz
Deiner Erinnerung Deinen dreiunddreißig
Schatten
Alles Buchstaben deines Namens Die Spuren
weit entfernt vom Abgrund der dich
hervorgebracht
Vergessenes Ziel deines Zaubers »Bereite dich
vor
auf deinen künftigen Körper« Am Rand deiner
Schatten bebendes Totem sinkt die Welt
in Ohnmacht
Theater der Nebel versteinerte Leere Werk
der Sandkörner die deine Schritte aufbewahren
Hinter
endlosen Türen singen alle Dinge
Die Flamme schmelzt das Metall deiner
Schlüssel Oh Pilgerin Tritt heraus aus solchem
Schmerz

19
Geist Baum der Gaben an dich glauben sie
Deine
karge Zelle empfingt mich Die Schleier
des Windes
bereiten deinen Tanz vor Ehre die offene Blüte
Liebe das Bild das bei jeder Gebärde hervortritt
Mein Echoraum Deine tausend Augen
sind in dieser Stunde
alle nur möglichen Formen Le sens Le sens
Becher der Geheimnisse die dein Durst
verlangt Ein
Gott in jedem Wirbel Flüssigkeit Ohnmacht der
Gefühle Blume der Gespenster In kaltem
Gewande
pflegt mich die Einsamkeit die Wunden
die in mir gehütete
Mutter die mich besucht Ich diene deinen
Schatten
Ich bin dein Tänzer Jeden Abend sagen sie mir
daß ich sie niemals wiedersehe Kleiner Vogel
der
meine Traurigkeit pickt Was an Liebe in mir
bleibt

Aus »Sábias areias«, 1991


Zufälle

Für den Bildhauer Fernando Casás

Nur ein Teil von mir erinnert uns daran,
wenn ein Zufall Bedeutung trägt:
der mit Holzwürmern
geschmückte Eingang oder die Zufallssatire
zielen darauf, den Menschen wieder
in sein Schicksal einzuschreiben.
Teile dessen, was wir sind, belebt nur
der Verschleiß: richtige Heldentat wurmstichig
Zyklen der Menschheit in uns eingraviert.
Gedächtnis, Spuren, Zersetzung der Seele
geben uns:
eine lange Woche mit Neufassungen,
bis du wieder
deinen Namen schreibst, der dem Verfall
bestimmt ist.

Übers.: Ellen Spielmann


Die Gedichte wurden der Anthologie »Das surrealistische Gedicht«
[Hrsg. H. Becker/E. Jaguer, 3. Auflage, Frankfurt/Main 2001] entnommen.


© Floriano Martins


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