Die von Werner Spies konzipierte Surrealismus-Ausstellung, die in Paris und jetzt in Düsseldorf mit großem Erfolg gezeigt wurde, hat in der Kunstsammlung Nordrhein- Westfahlen 224 000 Besucher gehabt. Dies zeigt einmal wieder, welch großes Publikumsinteresse dieser Kunstrichtung entgegengebracht wird. Die Ausstellung hatte den Titel: „Die Revolution des Surrealismus“ und zeigte Kunstwerke und Dokumente aus der Zeit zwischen 1919 und 1944.
Diese Ausstellung, die besonders die Aktivitäten der Surrealisten um A. Breton dokumentierte, ist nicht so zu verstehen (wie dies selbst mancher Kunsthistoriker meint), als habe nach 1944 schlagartig die surrealistische Kunst aufgehört oder an Qualität verloren.
Tatsächlich haben fast alle diese Maler, die zum Kreis der Surrealisten gehörten, noch Jahrzehnte weiter gemalt; Matta ist erst vor wenigen Wochen gestorben und Eleonora Carrington malt heute noch phantastische Bilder. Es gab andere phantastische Künstler, die sich nicht der surr. Gruppe anschlossen, oder zu malen anfingen, als die surr. Gruppe sich 1966 nach dem Tod von Breton auflöste.
Eines der großen Verdienste Bretons war, dass er diesen Künstlern durch sein Engagement und seine Ausstellungen einen „Rahmen“ gab und dies hieß auch, dass die phantastische Kunst im Surrealismus ihren Platz hatte! Dabei war dies nicht so zu verstehen, dass sich diese Künstler unbedingt in Paris im Kreis der Surrealisten aufhalten mussten. Der Maler Paul Delvaux, hatte nie in Paris gelebt, traf nie Breton, schwamm nie im ideologischen, politischen Fahrwasser der Pariser Gruppe, wurde aber trotzdem als vollwertiges Ausstellungsmitglied akzeptiert.
„Labyrinthe – Gesellschaft für phantastische und visionären Künste e.V.“ möchte immer wieder darauf hinweisen, dass die Phantastische Kunst eine Konstante in der Kunstgeschichte war und ist, und nicht als abgeschlossene Kunstrichtung betrachtet werden kann.
Während Kunstwerke von neo-expressionistischen oder neo- konstruktivistischen Künstlern zu Hauf von Museen und Sammlungen angekauft und gezeigt werden, müssen wir leider feststellen, dass zeitgenössische Phantastische Kunst dort so gut wie nicht zu finden ist, obwohl doch vom Publikum her ein großes Interesse besteht.
Bei allem Gerede über „Zeitgeist“ und „spezifische künstlerischen Ausdruck der Zeit“, herrscht eine gewaltige Diskrepanz zwischen dem, was uns von der „offiziellen“ Kunstmanagmentseite geboten wird und dem was das größere Publikum tatsächlich interessiert.
Kurioserweise haben wir bei der Literatur und beim Film (die zum Glück noch nicht unter der Kontrolle der staatlichen Kunstwächter und Kunstszenegremien stehen) eine geradezu umgedrehte Situation.
Phantastische Filme (+ Fantasy) und phantastische Romane stehen dort oft über Wochen und Monate in den Hitlisten an 1.Stelle!!! In welcher Bestseller-Liste bei Film oder Buch taucht je irgendwo ein Experimental – Film oder Avantgarde-Buch auf? In welcher Buchhandlung findet man Bücher mit Buchstabensalat, fettige oder geschnitzelte Seiten? In welcher Videothek oder in welchem Kino findet man Filme mit 18 Stunden Standbild, verwackelten Aufnahmen oder wirren Farbverläufen?
Stattdessen gibt es Bücher und Filme welche die Menschen „ansprechen“, die eine relativ klare Struktur haben, ein Anfang und ein Ende, eine Geschichte, einen Ablauf, der sich durch tausenderlei Konstellationen verändert und doch die Menschen zu Millionen fasziniert und bannt.
Kein Kritiker wäre je auf die Idee gekommen, diese Erzählstruktur als konservativ oder rückständig, überholt hinzustellen und das Publikum zu beschimpfen, oder anzuklagen, weil es sich nicht für Experimentalbücher oder Experimantalfilme interessiert.
Die Schwierigkeit beginnt da, wo vom Betrachter eine Wissensvoraussetzung verlangt wird, wo er endlose Erklärungen benötigt, so dass streckenweise nur noch ein kleiner Kreis Eingeweihter über die Qualität eines Kunstwerkes urteilt, der dann durch seine zentrale Position seine Vorstellung in den Museen, bei Ausstellungen und Sammlungen durchsetzt.
Meist hört man dann auch noch die Erklärung, dass das Publikum dies alles erst 20 bis 30 Jahre später begreifen werde. Nur, bis dahin ist auch niemand mehr zur Verantwortung zu ziehen, wenn es dann doch nicht so sein wird.
Da es heute noch kein kunstwissenschaftliches Institut gibt, wo eine Registrierung und kunstwissenschaftliche Aufarbeitung der phantastischen Kunst stattfindet, ist LABYRINTHE dabei, weltweit ein Netzwerk zwischen den phantastischen Künstlern, Schriftstellern und allen weiteren Künsten herzustellen und Dokumente zu sammeln. Wir müssen dabei immer wieder feststellen, welch hervorragende Künstler es in diesem Bereich gibt, die in jedem Museum beim Publikum weit mehr Beachtung finden würden als das dort Zeitgenössische Präsentierte.
Über das Internet haben wir festgestellt, dass es in verschiedenen Länder ähnliche Initiativen für die Phantastische Kunst gibt.
Aber erst wenn es ein Museum für die Phantastische Kunst geben wird, wird die Phantastische Kunst den Stellenwert bekommen, der ihr gebührt.
Otfried H. Culmann
Labyrinthe-Vorstand
im Forum poetischer Kulturen
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