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EDGAR JENÉ


Über Surrealismus

Auszüge eines Vortrages, den der Künstler 1951
vor der Kammerspielbühne des Stadttheaters Saarbrücken gehalten hat.





Was ist Surrealismus?

… Fast jeder von Ihnen hat vom Surrealismus gehört, ein oder das andere Werk eines surrealistischen Malers gesehen und surrealistische Gedichte gelesen, aber die wenigsten besitzen eine klare Vorstellung seines Wesens. Nie war ein Ismus so umstritten, nie gab es so viele Mißverständnisse als um ihn. Es ist auch außerordentlich schwierig, einen exakten Umriß seines Wesens zu geben, aus dem einfachen Grunde, weil er keinen solchen besitzt. Was er ist, ist schwieriger festzustellen, als was er nicht ist. Wenn er auch auf dem Gebiete der Kunst seinen sichtbarsten und sicherlich wichtigsten Beitrag geleistet hat, so ist er nicht als eine Kunstrichtung, wie Impressionismus, Expressionismus oder die abstrakte Kunst anzusehen. Der Surrealismus ist etwas ganz anderes, er ist keine neue Lehre der Malerei; Formproblemen, Problemen des Raumes und der Farbe steht er gleichgültig gegenüber, ja er wirft die überlieferte Auffassung des Kunstwerks um, er versucht, neue Inspirationsquellen dem Dichter und Maler zu erschließen. Sein positivster Beitrag ist die Auflockerung, die er in eine erstarrte Formenwelt gebracht hat, die Rückkehr zur Fantasie, zur Imagination, zur Lyrik. Der Surrealismus ist also keine Kunstrichtung, sondern vielmehr eine Weltanschauung oder besser der Versuch zum Finden einer solchen. Er ist aus dem Bestreben heraus entstanden, den Schauplatz des Lebens um einer besseren Einrichtung willen zu analysieren und die Welt lebensmöglicher zu machen. Man kann ihn als eine Geisteshaltung bezeichnen, aber als eine Geisteshaltung, die es ablehnt sich zu fixieren. Daher hat der Surrealismus auch Heraklit mit seinem "Alles fließt" in den Anfang seiner Ahnengalerie gesetzt. Denn der Surrealismus besitzt eine Ahnengalerie. Trotz seiner revolutionären Neuheit ist auch er im 20. Jahrhundert nicht plötzlich vom Himmel gefallen, sondern er zog sich, wie ein roter Faden, besser, wie eine Zündschnur durch alle Epochen der Menschheitsgeschichte. Der Surrealismus ist der Erbe einer Tradition, die bei den Orphikern anfängt, sich über Aeschylus, Lullus, Paracelsus, Meister Eckehart zu Francis Bacon, den Jansenisten, Hegel und ganz besonders zu Sigmund Freud führt. Eine seiner Hauptstützen ist der wenig bekannte, aber umso mehr verkannte Marquis de Sade. Unserer Zeit näherkommend schuf er eine explosive Entladung in der Romantik, Achim von Arnim, Novalis, Christian Dietrich Grabbe, Nerval und als unmittelbarer Vorläufer wären Lautréamont, Rimbaud und Jarry zu nennen. In den 20er Jahren dieses Jahrhunderts wurde der Surrealismus sozusagen sich seiner selbst bewußt. Flaubert behauptet irgendwo, daß es 2 Typen von Künstlern gäbe, solche, die ihrer Zeit ins Auge schauen und sich dabei erbrechen. Der andere Typus schaut weg, und ruft dabei laut nach geistiger Gesundung, Patriotismus und Erhebung. Die Surrealisten gehören zu ersterem Typus, sie haben aber gefunden, daß das Erbrechen allein nichts nütze und man die Welt verändern müsse...


Eine neue Vision der Welt

 

… Die Surrealisten versuchen also zu einer neuen Vision der Welt, die den Traum, das Unbewußte, das Magische in die Realität einbezieht, zu gelangen. Sie suchen den Begriff Realität zu erweitern, sie erstreben eine Realität, die sowohl die innere physische Realität wie die äußere umfaßt, oder mit anderen Worten, das Dilemma Traum und Aktion zu überwinden. Zu diesem Zweck führte der Surrealismus den Begriff der Surrealität ein. Die Surrealität ist eine umfassende Realität, in ihr sind Bewußtsein, Traum und Magie nur die Facetten eines einzigen Kristalls. Sie ist jedoch nicht identisch mit dem Übernatürlichen, Übersinnlichen, welche religiöse und transzendentale Prinzipien sind. Das Surreale ist immanentes Prinzip. Es steht nicht im Widerspruch zum Realen, sondern ist, wie schon gesagt, eine Vertiefung, eine Erweiterung desselben durch die Einbeziehung der Imagination, Fantasie, durch die seelische Realität des Menschen. Der Schlüssel zum Surrealismus liegt in dem Satz "Alles drängt zu der Annahme, daß ein gewisser Punkt des Geistes existiert, in dem Tod und Leben, Traum und Wachsein, Vergangenheit und Zukunft, Vernunft und Unvernunft aufhören, gegensätzlich wahrgenommen zu werden". Ich brauche nicht zu betonen, daß es sich hier nicht um einen geographischen Punkt handelt, sondern um ein philosophisches Symbol ähnlich dem geometrischen Symbol des Punktes. Es handelt sich um einen perspektivischen Punkt, der imstande ist, alle Perspektiven zu enthalten, um einen Mittelpunkt, der aber nicht im Gegensatz zur Peripherie steht, sondern von welchem die Totalität der Welt und des Lebens in einer einzigen Schau erfaßt werden kann. Den Begriff dieses Punktes findet man bereits im Taoismus, auch in der Kabbala. Der Surrealismus ist also eine Theorie, die den Gedanken an einen höchsten lebendigen Punkt, der über allen Antinomien steht, in einer nicht religiösen, sondern ethischen Form wiederaufgreift. Die Surrealisten glauben, daß dieser Punkt den Menschen zugänglich ist und sie hoffen, ihn durch Entdeckung neuer bisher unbegangener Wege zu erreichen. Sie richten dabei ihr Augenmerk vor allem auf die bisher wenig beachteten, auf die verbotenen Zonen des Geistes, auf den objektiven Zufall, den seelischen Automatismus, den Instinkt, das Unbewußte, die Intuition, die Spontanität, den schwarzen oder Galgenhumor, den Traum. Der Traum erscheint ihnen als ein besonders wertvolles Mittel, sich seiner seelischen Realität zu bemächtigen, vor allem, wenn es gelingt, ihn in seinem ursprünglichen Zustand zu fassen, bevor er noch eine logische Analyse zu erfahren hat. Wir wissen durch Freud, daß der Traum uns über die Welt des Unbewußten außerordentlich interessante Sachen zusagen vermag. Der Psychische Automatismus, den man besser mit willkürlicher Schreibweise bezeichnen würde, ist ebenfalls eine Methode, Einblick in die Welt des Unbewußten zu gewinnen. Es ist im Diktat des Unbewußten, dessen Mechanik ganz einfach darin besteht, durch Aufhebung der Kontrolle des Verstandes, durch Beiseiteschieben jedes ästhetischen oder moralischen Tabus zur Notierung all dessen zu gelangen, was einem durch den Kopf geht, so absurd es auch zunächst erscheinen mag. Er gleicht einer Sternwarte, die ihre Teleskope auf die innere Welt des Menschen richtet. Voraussetzung ist, wie ich schon sagte, die Abwesenheit jeglicher Zensur des wachen Denkens, ein Zustand der dem "ES", d. h. den unbewußten Triebkräften des Menschen zum Ausdruck verhilft, und einer seelischen Befreiung gleichkommt. In diesem Zustand tauchen aus der Tiefe des Ichs Visionen empor, die zu den elementarsten und spontansten Äußerungen des menschlichen Geistes gehören. Wenn diese mitunter das Kennzeichen des Magischen, Traumhaften tragen, so ist das weniger eine Erfindung der Künstler, als vielmehr ein anderer ungewohnter Aspekt der Realität. Durch diese nach innen gerichtete Schau hoffen die Surrealisten, zu den tiefsten Schichten des Unbewußten zu gelangen, zum Kern des Ichs vorzudringen, die Scheidewand zwischen subjektiv und objektiv zu sprengen und so den ältesten Widerspruch im Menschen, den zwischen Traum und Wachsein zu überbrücken. Der Surrealismus ist, wie Sie sehen, ein Feind des Realismus im alten Sinn. Er verdammt weniger die Werke als die Haltung, die sie hervorbringt. Er wirft der realistischen und naturalistischen Haltung ihre Oberflächlichkeit vor. Den Realisten fehlt der Mut, in das tiefe Leben des inneren Seins einzudringen, sie ahnen nicht das Mysterium jeden Objektes, sie wählen die Elemente ihrer Romane oder Bilder im sehr engen Gebiet des Bewußtseins und scheinen zu glauben, daß der geistige Mensch nur aus den Phänomena, die sich an der Oberfläche des Bewußtseins zeigen, zusammengesetzt ist. Sie ahnen nicht, weicher Reichtum dort in der menschlichen Seele liegt, wo die Klarheit der Vernunft, der Faden der Logik nicht mehr regieren. Die Vernunft zwingt der Realität ihren äußeren Rahmen auf und dieser Rahmen deformiert die Realität. Der Dichter, der Künstler verteilt die Elemente des Realen anderen "Kraftfeldern" gemäß, die nicht die der Vernunft, sondern die der Natur sind. Die Fantasie, vom Zwange der Logik befreit, gibt den Elementen des Realen eine neue, unerwartete Ordnung. Wie im Grunde nichts existiert, das nicht einen wissenschaftlichen Sinn besäße, so gibt es nichts, das nicht auch einen dichterischen besitzt. Es ist daher wichtig, diesen poetischen Zustand herzustellen und wenn ich sage poetischen Zustand, so meine ich damit einen irrationalen Zustand. Man braucht nicht festzustellen, daß dieser irrationale Zustand auch ohne literarischen oder malerischen Ausdruck bestehen kann, es kann daher nach Konzeption der Surrealisten jeder ein Künstler sein. Da es eine Haltung vor den Dingen, vor dem Leben ist, so besitzt jeder die Fähigkeit, sich in diesen Zustand zu versetzen, d. h. ein Dichter zu sein. Vor allem soll die Poesie gelebt werden, oder mit andern Worten, das Leben soll zur Dichtung werden. Das ist es, was die berühmten Worte Lautréamonts 'La Poésie doit être faite par tous' (Die Poesie soll von allen gemacht werden) ausdrücken wollen. Doch die Zügel der Gewohnheit sind so stark, daß man eine richtige Lehrzeit durchmachen muß, um in diesen Zustand der Gnade zu gelangen, und ich muß deshalb hier gleich einschränkend hinzufügen, daß nicht jeder über genügend Ausdrucksmittel verfügt, um das Interesse anderer zu erwecken, und überdies bleibt eine Dummheit auch eine Dummheit, wenn sie eine surrealistische Dummheit ist, wie dies Aragon irgendwo sagt. Nachdem der Surrealismus, wie Sie gehört haben, vor allem eine Geisteshaltung, eine Art Weltanschauung ist, an was?, werden Sie fragen, erkennt man surrealistische Kunstwerke? Die gemalte Traumphotographie Salvador DaIis und die ganz und gar ungegenständliche Formenwelt Joan Mirós sind als surrealistische Kunstwerke anzusprechen. Wo liegt hier der gemeinsame Nenner? Alle Künstler, die sich dem Surrealismus verschrieben haben, besitzen etwas Gemeinsames, das an äußeren Kennzeichen festzunageln schwierig wäre, das aber in der gemeinsamen Anerkennung gewisser Merkmale verankert ist. Solche Merkmale sind:

Écriture automatique

 

   Die Anwendung der "écriture automatique" oder unwillkürliche Schreibweise. Was hierbei an einem surrealistischen Bild oder Text auffällt, ist das Fehlen jeder gegenständlich greifbaren Wirklichkeit, Worte, Formen tauchen auf, scheinbar zusammenhanglos, Elemente, die den Bereichen der Biologie, der Mineralogie anzugehören scheinen, die an Gebilde erinnern, wie sie uns aus der Mikro- und Roentgenphotographie her vertraut sind. Kausalität und Perspektive sind aufgehoben.
   Ein weiteres Merkmal, der Traumbericht oder der gemalte Traum ist Ihnen aus der Literatur und Kunst sicherlich bekannter. Obwohl hier die gegenständliche Welt scheinrespektiert wird, sind auch hier die kausalen Zusammenhänge aufgehoben. Dinge, Vorgänge, Sinneseindrücke treten in neue unerwartete Beziehungen, Vorstellungen, unwahrscheinliche, gleichsam sinnlose Kreuzungen und Symbiosen treten auf, Elemente des Realen werden neu in überraschenden Kombinationen zusammengefügt, legiert, amalgamiert. Das Absurde, Irrationale wird zum beherrschenden Faktor. Ein besonders auffälliges Merkmal ist die surrealistische Metapher.

Die surrealistische Metapher

 

   Es ist dies ein Vergleich, der nicht mit dem Verstand, sondern durch Assoziation faßbar wird. Die surrealistische Metapher ist das Aufeinandertreffen zweier mehr oder weniger entlegener Realitäten.

Beispiele:
"Der Tag entfaltet sich, wie ein weißes Tischtuch."
oder
"Er ist schön, wie die Zurückziehbarkeit der Krallen der Raubvögel.
oder aus einem Gedicht
"Grabt damit diese Frau den Fächer ihres Sturzes entfalte
damit sie für immer die Gleichgültigkeit des Raumes ohrfeige."


Schwarzer Humor

 

   Wir kommen nun zu dem, dem Laien am leichtesten verständlichen Aspekt des Surrealismus, zum schwarzen oder Galgenhumor. Eine normale Situation wird hier mit dem Unmöglichen gekreuzt. Ein berühmtes Beispiel dieser Art ist das bekannte Messer von Lichtenberg:
"Ein Messer ohne Klinge, dem der Griff fehlt."
Von Lichtenberg ist auch:
"Die Menschheit liebt die Gesellschaft und wäre es nur die einer brennenden Kerze."
"Dieser Mensch war so gescheit, daß er zu nichts mehr taugte."
Lichtenberg ist auch der Erfinder eines Galgens mit Blitzableiter.
Oder Christian Dietrich Grabbe beschreibt in "Scherz, Satire und tieferer Bedeutung" einen Menschen, der unter der glühenden Augustsonne gegen alle Regeln der Erfahrung erfroren aufgefunden wird.
oder
"Die Tanne, aus welcher man Särge macht, ist ein immergrüner Baum."
"Ich sah einen Briefkasten auf dem Friedhof." (Forneret)
Bekannt ist auch ein Brief Nietzsches der folgendermaßen anfängt:
"Sehr geehrter Herr Professor,
Sicherlich bin ich lieber Professor in Basel als der liebe Gott."

Von Levis Caroll, dem Verfasser von "Alice im Wunderland", stammt u. a.
"Sicherlich wäre das ein furchtbar häßliches Kind gewesen, aber eigentlich als Schwein ist es eher hübsch."
Und schließlich noch ein Beispiel von Nestroy, wo ein vom Unglück getroffener Mann sein weiteres Leben schildert:
"Auf den Ruinen von Karthago ist einmal ein Mann gesessen. Was der dort gemacht hat, weiß kein Mensch. Das soll künftig meine Beschäftigung sein."


Surrealistische Sprichwörter

 

  Hierher gehören auch die surrealistischen Sprichwörter, die, wenn man sie mit dem nötigen sentenziösen Tonfall vorbringt, genau so überzeugend wirken wie die echten Gemeinplätze und so die Flachheit derselben in jenes Licht rücken, das ihnen gebührt.

Zum Beispiel:
"Die Elefanten sind ansteckend."
"Man muß seine Mutter schlagen, solange sie jung ist."
"Kratzt nicht an den Skeletten Eurer Vorfahren."

Auch die bekannten Frage- und Antwortspiele gehören hierher.
"Frage: Was ist der Tag?"
"Antwort: Eine Frau, die sich nackt bei Anbruch der Dämmerung badet."
"Frage: Was ist eine Vergewaltigung?'"
"Antwort: Die Liebe zur Schnelligkeit."
"Frage: Was ist die physische Liebe?"
"Antwort: Die Hälfte des Vergnügens."

Es bliebe noch zu sprechen vom objektiven Zufall, doch will ich hier nur Schiller zitieren, der im Wallenstein sagt:
"Es gibt keinen Zufall ...
Und was nur blindes Ohngefähr uns dünkt
gerade das steigt aus den tiefsten Quellen."

   Damit hätten wir einige der wichtigsten Merkmale surrealistischer Kunst angeführt. Es verbleiben noch die Begriffe der "Konvulsivischen Schönheit", "das Wunderbare", die "Objets Surréalistes" und die "Objets trouvés". Doch darüber zu sprechen würde hier zu weit führen. Alles dies gehört zum Rüstzeug des Surrealisten.


Surrealismus ohne Ende?

 

   Es mag Ihnen inadäquat, ja kindlich erscheinen im Vergleich zu den Riesen Technik, Religion, den verschieden gefärbten Dogmen, die alle nur dazu dienen, die Erlebnisfähigkeit und den Freiheitswillen des Menschen einzuschränken. Doch dies alles soll vor allem dazu dienen, den Zweifel zu wecken. Und welcher Feind ist gefährlicher. Beginnt man an der Standfähigkeit des Kolosses zu zweifeln, so entdeckt man sehr bald die tönernen Füße und dazu gehört nur ein gut geführter Stoß. Häretiker der Zivilisation, so nennt Armand Hoog die Surrealisten, das sind sie. Sie haben den Satz Rimbauds "Il faut changer la vie" auf ihre Fahnen geschrieben und diese Änderung des Lebens wollen sie mit allen Mitteln durchsetzen. Mit Spott und Provokation, mit Skandalen und Manifesten, mit Resolutionen und Flugzetteln wurde dieses Unternehmen in Szene gesetzt, aber auch mit Unterstützung aller, die Charakter und Mut zeigen. Wenn man auch zugeben muß, daß auf der Ebene des praktischen Lebens alle dahingehenden Versuche der Surrealisten fehlgeschlagen sind, so zeigt das, daß sie keine Politiker, keine Propagandisten, keine Demagogen sind. Was also sind sie? Künstler! Sie handeln nach den Gesetzen ihrer Natur im Dienst einer Leidenschaft. Der Surrealismus als Kunst hat sich schon lange einen großen Teil der Welt erobert.
   Nun noch ein Wort über die oft gehörte Behauptung, der Surrealismus sei überwunden, überlebt, er sei tot. \/on wievielen und wie oft diese Behauptung aufgestellt wurde, ist bereits nicht mehr zu zählen.
   Aber wie ich schon zitierte "solange der Mensch ein Tier von einer Flamme oder einem Stein zu unterscheiden" vermag, solange läuft der Surrealismus keine ernstliche Gefahr, ein Ende zu finden. Die surrealistische Haltung, so behauptet Maurice Nadeau, sei ewig, mag sie auch vorübergehend durch andere Strömungen verdunkelt werden.
   Sein hochgestecktes Ziel, die totale Befreiung des Menschen zu erreichen, wird ihm wohl kaum gelingen, aber er hat diese Forderung mit einer Unbedingtheit aufgestellt wie nie eine Bewegung vor ihm, und sicher hat er auf dem Wege dorthin einen wichtigen Beitrag geleistet. Er ist aus dem Leben, der Kultur, der Kunst unserer Zeit nicht mehr wegzudenken. Durch seine dezidierte Forderung, daß das Werk eines jeden Künstlers einen neuen Weg öffnen soll, daß jeder Künstler sich auf eigene Faust auf die Suche noch dem goldenen Vlies zu begeben hat, hat er Dichtung und Kunst in einem Ausmaß bereichert, wie das vor ihm keine Bewegung tat...


© Edgar Jené/Monika Bugs
 

(Erstveröffentlichung in: EDGAR JENÉ · Ein Surrealist aus dem Saarland
Katalog zur Ausstellung im Museum St. Ingbert, 1994
Hrg.: Monika Bugs)



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