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EGON GÜNTHER

Bilder & Gedichte II


Bram Said No

Bram Said No


Submarines Gestade

Submarines Gestade


Wo die Wölfe trinken

Wo die Wölfe trinken


Diana, das innere Modell

Diana, das innere Modell


Für Lee

Für Lee

der briefträger cheval

das verbrechen der architekten besteht in der konstruktion
der diktatorischen wirklichkeit

über einer insel wo das gelächter anbrandet
aus dem unendlichen
und der verstand ohnehin konvertierbar ist
auf heller und pfennig
in jede nur denkbare währung
kopfüber
das vogelkreuz des südens steht

zwischen windstoß und feuergarbe
treiben trinksprüche verstümmelt hügelan
an einer ziegelmauer zwischen den schenkeln eines rauhen
gebirgs
lehnt ein polizist im schafspelz
das blut auf seinem antlitz ist längst eingetrocknet
sein mehr als weltabgewandter blick
schaut er vielleicht das unsagbare
oder geht ihm endlich ein licht auf
doch vorerst denkt niemand daran seinen tod rückgängig
zu machen
noch an den schutz irgendeiner verfassung in so einer
neujahrsnacht
da aus unterirdischen gefängnissen lava quillt
und die straßen der ausgestorbenen stadt mit geschoßhülsen
gepflastert sind
aus denen die mauerblumen wachsen werden

das kommissariat des geistes ist die wirklichkeit -
ein hausspruch gegen die seekrankheit und den sturm
der aufzieht
ziert die vorderseite eines alten betsaales
aus der zeit vor der einrichtung der sperrbezirke
und nach der ausbreitung einer bestimmten geschlechtskrankheit
die die kanonen des priapos für eine weile verstummen ließ
heute dient er der grenzziehungskommission als ein
gespenstischer tagungsort seltsam verschönt durch den schein
mitternächtlicher brände
kaum jemand glaubt daß es ihr gelingen wird den faden
neu aufzurollen
die sache zu verwickelt
das leben zu kurz
doch weithin weithin sichtbar wird
der pfirsichfarbene widerschein einer neuen trunkenen
offenbarung
die auf flachen wassern glänzt

eine kraft die zusammenhält was stets zu bersten droht
mag schneller sein als der lichtstrahl der bereits unterwegs ist
diese nacht zu töten
doch vor der wirklichkeit der blumen
verliert das gesetz der pyramidenschüttung an allgemeiner
gültigkeit
die anzuzweifeln mir zu keiner zeit die geringste mühe
abverlangt

ein beweis für diese behauptung läßt sich im idealen palast
des briefträgers cheval finden
hautes rive (dèp. dróme)
den dieser trotz völliger unkenntnis der architektur
errichtet hat

arglos asbest auf abend reimend
ein irregulärer in der metro
eingeklemmt
zwischen arschlöchern und aktenkoffern
ein überlebender aus der zeit
der mitternachtsausgaben
oder noch von früher her
der zug hat eine enorme verspätung
mit dem warten in der alltagswüste
wächst auch der groll auf dies und das
wehe dem retter der jetzt
noch zu kommen wagt

aus der mauer heraus löst sich der geflügelte stein
- ein vorgang der mich - über die brüstung dieser alten Veste
gelehnt - nicht weiter verwundert - entspricht er doch
im grunde der Verwandlung eines Zeichens
in ein Wesen aus Fleisch und Blut
bevor es sich für ein ganzes Jahrhundert schließt
wird dich das Baumauge noch eine zeitlang verfolgen
hinter deinem Rücken wirft es seinen Phosphorblick
auf den Pfad den es zum Leuchten bringt
bärtige Erinnerungen reihen sich gewissen Statuetten gleich
und schießen auf dich ab ihre makellosen Pfeile aus Glas
schon blüht unter dir gebündelt im Weizen
das Feuer einer anderen Zeit
nach den Leuchtkäfern die Grillen
- die Grillen und auch die Bannwaldhexen -
sie leben in den Tag hinein der da so heiß und gesättigt
wartet auf den Schritt der Großen Ährenleserin
die Steine und die Sterne sie tauschen ihre funkelnden Botschaften
damit ihnen irgendwo auf der Fluchtleiter
zwischen Himmel und Hölle ein hoher Wunsch in Erfüllung geht
ihre Hochzeit allein drückt zuletzt dem so unruhig ausgebreiteten
Mantel auf diesem Stoppelfeld da unten ein immerhin noch
kindliches Gepräge auf
Falter ergehen und verzehren sich in Atlas und Samt
verbraucht der Duft der Balsaminen
im Reich der Kristalle das kommt
schwingt bald eine andere Königin
ihr grausames Szepter



Tangled up in blue

Vertriebener Taumler aus dem Grünland
hochaufgetürmte Stunden ohne Zeit
Im Mantel fremder Steppen Glanz
verweht das Echo ferner Kriege Staub
Glanz Staub und Dung

Das Abendhaus erglüht im Schein geraubter Sonnen
breit und behäbig wie ein ermatteter Traum
Es ruht holzgedeckt im Schutz verzogener Schindeln
und unterm Fenstersturz da harrt im Bettelwurf die Nonne -
ein falscher Arzt stellt geflissentlich den Schein aus:
Verblichen ist der Wollust treue teure Magd
kein Diener röchelt mehr im Reich der Sinne

Nicht lange hält das angenehme Trugbild
denn - der träge Geist ist noch nicht vollends erschlafft -
schon bricht da ein vorbestimmt mechanischer Akkord
die Stille
als Auftakt zu einem höllentiefen Schrei
Von solch geschäftigem Weckruf überstimmt
der willensmüde Zweifler -
er überprüft ein letztes Mal den flüchtigen Stand der Dinge -
das ganze traurige ans Herz gewachsne Inventar

Ein Augenblick -
noch währt die Ewigkeit
im nächsten schon wirft der Himmel Brand aus
doch wir -
wir löschen in der Hölle
und wechseln kurz vor der geplanten Sprengung
erschöpfter Brücken Lager
züchten Fleisch und nichten Träume
halbautomatische Irrgänger im Maschinensommer
vergiften Brunnen und vergeuden unwiederbringlich
das Holz von tausend Jahre alten Bäumen
Und wieder winkt ein Sieg dem nächsten
auf seinem dornenreichen Lauf

It's so ugly
so ugly



Morgen ist kein anderer Tag (social lyric)

Mein Gefängnis ist ein Treibhaus seltener Blumen
Am Abend rückt der Waldrand näher an die Mauern heran
Tagsüber stülpt sich das Innere nach außen
Lieder werden gelesen wie Landkarten
Die darauf verzeichneten Fluchtlinien sind wie Flußtäler
eingeschnitten in eine weite Flur
Wilde Tiere und Menschen wandern auf ihrem Schild
einzeln und in Herden

Neben dem Dunst den die Sonne emporhebt
schwebt kein Geist mehr über den Wassern
Die Gesellschaften sind verfallen
außer solchen die gerade auf der Jagd sind
oder auf der Reise

Einen Lidschlag lang verharrt die Welt gestaltlos
und birgt kaum Stoff für Dramen aller Art
Jenseits der Stasishülle
vibriert der Grundton sozialer Musik
Bereits eine Ewigkeit warten Lewis & Clark
auf den Start ihrer Expedition
die jetzt niemals stattfinden wird

Meine mit Unwissen getränkte Willkür
will so vieles nicht wahrhaben
Sie greift auf die Krücken der Illusion zurück
Ein ganzer Zug fremder Räume Gestalten Bilder
bewegt sich gemessenen Schritts
durch ihren gemauerten Sarg
Morgen ist kein anderer Tag
ist in diesem Marsch der Refrain



Requiem für eine Landschaft

Meine beflügelte Hoffnung mit dem dunklen Glanz -
sie trägt Rabenschwingen
Bei Tag und in der Nacht erinnert sie die Trümmer
einer verborgenen Zeit
Gedanke
Lachhaft wird es wenn fade Angestellte
die in der Asche eines poetisch belanglosen Lebens stochern
neuerdings auf alte Götter schwören
die man hierzulande kaum recht gekannt
und Erinnerung:
Wo allenthalben Lebensbäume wie zum Hohn
als erfrischender Abschiedsgruß samtne Gräber überschatten
oder gar an entropischen Eigenheimen Spalier stehen
da wird längst kein Banzen mehr ausgepicht
noch erntet jemand Eis am Galgen
Bein - und Wirtshäuser sind aus der Mode -
so wie alles was sonst noch schreckt und Haken hat
auch bald von der Bildfläche verschwunden sein wird
Wie der Teufel das Weihwasser
so scheuen die Klausner der Moderne
die leeren Orte -
sie drängen sich auf gebahnten Wegen
die keine Einkehr zulassen
Nirgendwo ein Häusler den eine genialische Phase des Rokoko
für einen Augenblick aus seinem Stocket in himmlische Sphären hebt
Alle Geschichte ist bloß durch Fiktion geschönte Willkür
Geschichte heißt Vereitelung
Geschichte gibt es nicht - nur Golfplätze
die von ziehenden Staren gemieden werden

Waldorf und die Baumärkte haben Wessobrunn beerbt
Als neuer Hauptsatz der Thermodynamik gilt:
Die Flasche ist heute wichtiger denn ihr Inhalt
Reihenhaussiedler sind Grenzscheiden bebauende Barbaren
gegen die kein Limes hilft
Eigentum ist Anmaßung - Biedermeier nennt sich Rock'n Roll
Gelegenheitsdichtung ist Scheiße - doch unter hohem Druck
lassen sich aus Kohle sogar Diamanten pressen usw.

Immerhin - manch ein Ort hält sich
an dem die Hoffnung
obwohl in all dem Wahnwitz ziemlich lädiert
weiterhin ragend Wache steht
Great things are done when Men & Mountains meet
This is not Done by Jostling in the Street

Das Erhabene trägt keine Schuld
wenn der Mensch sich erniedrigt

© Egon Günther



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